HP4 RACE behind the scene
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M an könnte meinen, die Ideallinie zu verlassen, ist nicht wünschenswert. Aber genau hier liegt der Erfolg. Man muss die Linie verlassen, die alle fahren, um nach vorne zu kommen. Die rauen Knie- und Ellbogenslider gibt’s dann in den Kurven gratis dazu.
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Wie würdest du die HP4 RACE in einem Satz beschreiben?
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Für mich ist es ein Kindheitstraum, endlich mal eine richtige Rennmaschine zu bauen. Ich war so gespannt, wie es sich anfühlt das erste Mal draufzusitzen. Ich war wirklich wie ein Kind an Weihnachten: „Wann ist es fertig?“ und „Wann darf ich das erste Mal damit fahren?“.
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Die HP4 RACE steht für Emotionen. Welche Emotionen hast du während der Entstehung durchlaufen?
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Unglaublich leicht, handlich und schnell. Aber ich könnte mir ein Teil an dem Motorrad aussuchen und darüber einen ganzen Abend reden.
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Wann war es dann das erste Mal soweit?
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Richtig auf der Rennstrecke und etwas länger am Stück gefahren bin ich Mitte letzten Jahres. Ab da konnte ich sagen, dass es genau das ist, was wir uns vorgestellt haben. Ab dem Zeitpunkt ging es vor allem um Feintuning, aber an sich war das Motorrad fertig.
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Eigentlich müsste ich jetzt überholen. Aber es ist keine Lücke da – ich probiere es trotzdem.
“Sepp Mächler" -
Als ehemaliger „Hobby-Rennfahrer“ und aktiver Rennstrecken-Trainings-Anbieter weißt du bestimmt, ab wann Motorradfahren wahnsinnig wird?
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Motorradfahren ist immer ein bisschen Wahnsinn, weil es die puren Emotionen sind. Spannend wird es natürlich auch dann, wenn du auf einer Rennstrecke gegen jemand anderen fährst. Wahnsinn sind Gedanken wie „Eigentlich müsste ich jetzt überholen. Aber es ist keine Lücke da ... ich probiere es trotzdem.“
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Worin liegen die Herausforderungen bei einem Rennmotorrad gegenüber einem normalen Motorrad?
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Die Herausforderung ist, dass das Rennmotorrad für eine Person gemacht ist. Das Setup eines Rennmotorrads ist genau für eine Person bereitgestellt z.B. für Peter Hickman oder Valentino Rossi. Bei der HP4 RACE ist der Gedanke, dass jeder mit dem Motorrad zurechtkommt. Egal, ob er die Isle of Man TT mit Rundenrekord fährt, oder in Brünn 30 Sekunden langsamer als der Rundenrekord ist – es muss für jeden funktionieren. Das ist eigentlich der große Unterschied zwischen der HP4 RACE und einem Rennmotorrad. Das Rennmotorrad ist für Person X. Und bei der HP4 RACE ist es wirklich egal – es funktioniert.
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Das heißt, im Herzen ist die HP4 RACE ein Rennmotorrad, aber was das Drumherum betrifft ein Serienbike?
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Ja, beziehungsweise eine Kleinserie aus der Manufaktur. Es ist ja so, dass jeder Rennfahrer seine Vorlieben hat. Der eine möchte eine brutal harte Gabel haben, der andere eine brutal harte Hinterhand oder eine aggressive Bremse. Manchmal verrennt sich ein Rennfahrer aber auch in eine Richtung, weil er nicht bereit ist, seinen Weg auch mal zu verlassen und etwas Anderes auszuprobieren. Bei der HP4 RACE bekommen wir von allen Rennfahrern, die bisher probegefahren sind, zu hören, dass es ein supergeiles Motorrad ist.
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Das Hauptaugenmerk liegt natürlich auf Rahmen und Felgen, die aus Vollcarbon sind. Was ist das Besondere?
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Man kennt Carbon eigentlich aus der Verkleidung (Carbonview), wo es aus Gewebe gemacht ist. Der Rahmen ist aus Gelege (Carbondrive), das ist eine Endlosfaser, die in eine Richtung liegt. Die zweite Lage ist wieder Endlosfaser, die mit einem gewissen Winkel dazu steht. So können wir genau den Flex und die Torsion des Rahmens einstellen. Das wird eigentlich beim optischen Carbon umso steifer, je mehr Carbon man benutzt und man verliert Flex. Da ist der Vorteil an unserem Hauptrahmen, dass er genau kann, was wir uns vorgestellt haben.
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Kann man sagen, dass man bei der HP4 RACE an Gewicht alles weggelassen hat, was nicht gebraucht wird?
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Alles wurde auf das Wesentliche reduziert und Richtung Rennmotorrad getrimmt. Wir wollten ein superleichtes Motorrad machen. Hätten wir noch mehr Zeit gehabt, wäre es noch leichter geworden, aber irgendwann musst du fertig werden beim Motorrad (lacht). Wir haben Titanschrauben verbaut, wo es geht. Zahnräder wurden anders gemacht, eine dünnere Kette verwendet. Es wurde kein Stein auf dem anderen gelassen. Ziel war es, die Maschine so leicht wie möglich zu bekommen. Die Frage kam auf, wieso die Motorenprotektoren rechts und links nicht aus Carbon sind. Kunststoff ist genauso leicht, daher macht es nur Sinn, da Carbon zu verwenden, wo es uns einen Vorteil bringt.
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Meinst du, es geht noch mehr Minimalismus?
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Es geht immer mehr, aber es wird auch immer teurer die Balance zu finden. Wir haben da die Latte schon sehr hoch gesetzt.
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In der HP4 RACE steckt viel Liebe zum Detail, außerdem war die Entwicklungszeit um einiges kürzer als bei anderen Modellen. Wie funktioniert es, ein so geiles Bike mit so viel Leidenschaft in einer so kurzen Zeit umzusetzen?
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Die Zeit war mit unter 2 Jahren wirklich extrem kurz und funktionierte nur, weil im Team jeder mehr gegeben hat als normal. Keiner darf einfach mal Pause machen, man muss wirklich Vollgas geben. Jeder aus dem Team ist eigentlich ein Supersportler. Einer, der jeden Morgen trainieren geht, um einen Marathon zu laufen. Und beim Marathon kannst du auch nicht eine Woche vorher mit dem Training anfangen. Und nur, weil jeder Vollgas gegeben hat, der in das Projekt involviert war, haben wir es in der kurzen Zeit geschafft.
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Das bedeutet, du kamst im Laufe des Projekts auch an deine Grenzen?
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Ja, da kamen definitiv einige an ihre Grenzen. Weil wir aber ein super eingespieltes Team waren, kamen wir auch darüber hinaus. Einander zur Seite zu stehen und Steine aus dem Weg zu räumen, ist das Wichtige.
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Macht es Spaß, immer wieder das scheinbar Unmögliche zu wagen?
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Es macht Spaß, aber müde (lacht). Es macht unheimlich Spaß, aber du brauchst dann auch mal wieder eine Ruhephase. Die Nationalmannschaft spielt nach der WM ja auch nicht direkt das nächste Turnier.
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Bist du besser geworden indem was du tust, durch das Arbeiten an der HP4 RACE?
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Effizienter. Wir haben geschaut, wo man Prozesse schneller und effizienter machen kann. Von so einem Projekt profitieren alle Bereiche. Bei der ersten RR war damals die Prämisse: „Alles was uns schneller macht, machen wir“. Also mussten wir bei jeder Entscheidung nur fragen: „Macht es uns schneller?“ Wenn ja, haben wir es getan - wenn nicht, haben wir es nicht gemacht. Wenn man sich den Leitfaden immer wieder vor Augen führt, schafft man es auch. Man braucht ein Ziel.
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Wie fühlt es sich an, wenn du das Bike jetzt fährst?
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Überirdisch (lacht). Es ist wirklich so. Du fährst eine Werksrennmaschine, wie soll man das beschreiben?! Vielleicht so: Du willst in den Urlaub fliegen und anstelle des Linienfliegers wartet auf der Landebahn die Concorde.
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Was ist dein persönliches Highlight an dem Bike?
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Die Leichtigkeit beim Fahren. Die Traktionskontrolle, die mit dir spricht, der sogenannte Zündcut, damit du weißt, dass du Vollgas geben kannst. Mich fasziniert, dass das Fahrzeug tut, was du willst und dir hilft, die Grenzen deines Fahrkönnens zu verschieben. Das Motorrad spricht und du spürst den Asphalt. Du merkst, dass das Motorrad immer noch will. Gewisse Motorräder fühlen sich am Grenzbereich auf einmal so komisch an, da spürst du fast nicht mehr, wo der Grenzbereich ist. Bis jetzt habe ich es aber immer gespürt (lacht).